Die Apostelgeschichte, Kapitel 2
Das Pfingstereignis
1 Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort.
2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren.
3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
4 Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden.
7 Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?
8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören:
9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien,
10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten,
11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.

(Einheitsübersetzung 2016)

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Vielleicht kennen Sie folgenden Witz schon genau so lange wie ich? Weil er aber so gut zu Pfingsten passt, will ich ihn jetzt erzählen:

Im Himmel soll der nächste Betriebsausflug geplant werden. Der Heilige Petrus wird gebeten, ein paar Vorschläge zu machen. So fragt er in die himmlische Runde: „Wie wäre es mit einem Besuch in Betlehem?“

Worauf die Gottesmutter Maria sagt: „Oh nein, da will ich nicht hin, da haben wir schon mal ganz schlechte Erfahrungen gemacht, mit der Suche nach einer Unterkunft.“

Petrus schlägt also weiter vor: „Dann könnten wir doch nach Jerusalem fliegen.“ Sofort kommt da von Jesus folgender Einwand: „Also da bringen mich keine hundert Pferde mehr hin! Die waren damals überhaupt nicht nett zu mir!“

Sichtlich genervt sagt Petrus schließlich: „Jetzt fällt mir als gutes Ziel für unseren Betriebsausflug nur noch Rom ein!“ Daraufhin meldet sich der Heilige Geist zu Wort und sagt: „Au ja! Da war ich noch nie!“

…..

Vielleicht ist der Witz ja schon ein bisschen heftig für den Beginn einer Pfingstpredigt, aber er wirft doch auch wichtige Fragen auf: Wer kann eigentlich mit letzter Sicherheit sagen, wann und wo der Heilige Geist wirkt? Können der Papst, oder die Bischöfe, oder diejenigen, die das Kirchenrecht verfasst haben wirklich sicher sein, dass sie bei ihren Entscheidungen vom Heiligen Geist geleitet wurden? Kann das überhaupt irgendjemand?

„Der Heilige Geist weht – wo er will!“ mit diesem Grundsatz wurde uns schon als Kinder klar gemacht, dass Gottes Gedanken weit über unseren sind, dass wir seine Pläne eben oft nicht verstehen und eigentlich nur staunen können, wie Gott immer wieder in unser Leben hineinwirkt oder ein anderes Mal eben auch nicht.

Im Moment wird ja viel vom „Zeitgeist“ geredet. Jede Epoche ist geprägt von den Umständen, die gerade in der Welt vorherrschen. Nehmen wir zum Beispiel die Zeit der Hexenverbrennungen – welcher Geist hat da gewirkt? Oder ganz aktuell der Krieg in der Ukraine – wes Geistes Kinder sind eigentlich diejenigen, die so viel Leid über Unschuldige Menschen bringen? Wie schaffen es einzelne Menschen, dass ihnen so viele Menschen nachlaufen, sogar ins eigene Unglück?

Wie gelingt es uns, die Geister zu unterscheiden? Wie kann ich herausfinden, ob es nun das Wirken des Heiligen Geistes ist, der mich gerade aufrüttelt, der mich bewegt, der mich über meinen Schatten springen lässt, oder ob ich da von einem „Ungeist“ verführt werde?

Wir sollen dem „Zeitgeist“ nicht erliegen – davor wird auch jetzt wieder im Zusammenhang mit dem synodalen Weg gewarnt: die Berufung von verheirateten Männern oder von Frauen zum Priesteramt, die volle Gleichberechtigung in der Kirche, oder zu viele demokratische Strukturen, … das alles sei nicht im Sinne Jesu!

Wird damit Jesus nicht aufs Neue „Festgenagelt“? Womöglich wirkt aber doch gerade hier der Geist Gottes und nimmt die Zeichen der Zeit zu Hilfe, um die Kirche Jesu Christi zu erneuern?

Aber ich kann Sie beruhigen – all diese Fragen sind nicht neu!

Auch damals, als die Jünger den von Jesus versprochenen Beistand erhielten, ging es turbulent zu und alle, die es miterlebten, staunten, waren völlig aus dem Häuschen und hielten mit ihren Fragen nicht hinterm Berg.

Was war geschehen? Nach der Hinrichtung ihres „Herrn und Meisters“ waren die Anhänger Jesu total am Boden. Sie hatten Angst um ihr Leben – sie mussten ja befürchten, dass auch sie, wie ihr Anführer Jesus hingerichtet werden könnten. Manche sind deshalb aus Jerusalem geflohen, andere haben sich versteckt.

Das änderte sich aber schlagartig, nachdem sie von Jesu Geist durchdrungen waren. Mutig gingen sie hinaus auf die Straßen und Plätze und verkündeten, dass die Sache Jesu nicht tot zu kriegen ist, dass er lebt, dass er von Gott auferweckt wurde.

Um das Unglaubliche zu beschreiben, hat Lukas in seiner Apostelgeschichte Bilder zu Hilfe genommen: Er erzählt von Feuerzungen, von Sturmesbraus, von großem Getöse und von unverständlichen Worten, die da aus den Begeisterten hervorquollen. Den Zuhörer waren diese Bilder nicht fremd: da muss Gott selbst seine Hand im Spiel gehabt haben.

Es war wohl auch kein Zufall, dass dieses Ereignis gerade dann stattfand, als Jerusalem aufgrund des Festtags voller gläubiger Menschen war. In der Lesung haben wir gehört, wo sie überall herkamen.

Lukas will uns damit deutlich machen: Pfingsten ist nicht nur was für ein paar Auserwählte – Die Sendung des Heiligen Geistes gilt für Alle! Gottes Geschenk ergießt sich über alle Menschen. Gott schließt niemanden aus. Im Gegenteil, mit seiner Hilfe können sich die Menschen wieder verstehen – die Sprachverwirrung als Folge vom Turmbau zu Babel ist überwunden!

Damals ist die frohe Botschaft von den begeisterten Jüngerinnen und Jünger einfach so aus ihnen herausgesprudelt. Manche haben sogar gemeint, sie wären betrunken!

Andere waren aber trotzdem für die Botschaft der Jünger*innen offen – auch ihnen ist dann das Herz aufgegangen, viele ließen sich taufen, ließen sich von der Sache Jesu anstecken.

Völkerverständigung – eine wichtige und zutiefst christliche Aufgabe – aber auch damals schon gab es Menschen, die mit solchen „Spinnern“ nichts zu tun haben wollten, diese Botschaft passte nicht in ihr Weltbild! Sie wollten nichts davon hören! Aus der Geschichte wissen wir, dass unzählige Christen wenig später dann verfolgt und getötet wurden.

Leider können wir auch hier schmerzvolle Parallelen zu unserer Zeit finden. Auch heute werden Menschen wegen ihres Glaubens immer noch in vielen Ländern der Welt verfolgt. Ethnische Säuberung wird das genannt. Auch der furchtbare Krieg in der Ukraine zeigt ganz aktuell und auf grausame Weise, was passiert, wenn kein Gespräch, keine Verständigung mehr möglich ist!

Aber trotzdem! Gerade in diesen vielen und ausweglos erscheinenden Situationen hält das Pfingsterlebnis von damals eine große Hoffnung für uns bereit: Menschen können sich wieder verstehen – Menschen, die völlig am Ende sind, können Grenzen überwinden.

Die Botschaft von Pfingsten lautet: ALLEN Menschen ist der Heilige Geist als Beistand geschenkt. Gott schließt niemanden aus – alle haben von ihm die Fähigkeit geschenkt bekommen, im Sinne Jesu, mit seiner heiligen Geistkraft zu entscheiden und zu handeln.

Besonders deutlich wird diese frohe Botschaft auch beim Evangelisten Johannes, der das Pfingstereignis so beschreibt:

Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!

(Einheitsübersetzung 2016)

Jesus trat in die Mitte der verängstigten Jünger*innen, zeigte seine Wundmale, machte damit noch einmal deutlich, dass sein Tod am Kreuz nicht umsonst war. Jesus zeigte sich als der, der er immer war: als einer der Frieden mitbringt. Zweimal sagt er: „Der Friede sei mit euch!“ Das ist mehr als ein frommer Wunsch – Jesus „befiehlt“ diesen Frieden mit seiner göttlichen Vollmacht über seine Jüngerinnen und Jünger – mit diesem Shalom ist mehr gemeint als das, was wir unter Frieden verstehen. Es geht um ein Heil- und Wohlsein, um Zufriedenheit und im Einklang leben, um ganz und gar erfülltes Dasein.

Aus tiefstem Herzen, mit all seiner Geistkraft „haucht“ Jesus die Verängstigten an, um sie zu beleben und zu beatmen. Ähnlich wie es in der Schöpfungsgeschichte geschah, als Gott den ersten Menschen seinen göttlichen Odem einblies, erweckt nun Jesus die Menschen zu völlig neuer Lebenskraft, zu einem Leben das durch Gottes Liebe sogar stärker ist als der Tod.

Angehaucht werden – spätestens seit Corona jagt uns das nicht unbedingt angenehme Schauer über den Rücken! Da kann man sich ja anstecken!

Aber ich glaube, dass Jesus genau das erreichen wollte, als er den Seinen diese lebensspendende Geistkraft einhauchte – sie anstecken mit seiner Kraft, ja mehr noch, eine Reanimierung, eine Wiederbeseelung. Und die hatte wirklich Folgen!

Dieses Ereignis war wirklich ein Neubeginn – der Geburtstag der Kirche; die Heilige Geistkraft brachte so viel Mut, dass die angesteckten Jüngerinnen und Jünger von da an das Heilswerk Jesu Christi fortsetzten. Sie ließen sich von ihm hinaus senden zu allen, die verwundet sind, die am Leben zweifeln, die keinen Weg mehr erkennen und die Heilung brauchen. Gemeinden entstanden und die Frohe Botschaft hat Menschen vereinigt, die dies nie für möglich gehalten hätten.

Auch heute braucht Christus Menschen, die sich anstecken lassen, die ihre Türen aufmachen für frischen Wind, auch heute brauchen wir Menschen, an denen die Wirkungen der heiligen Geistkraft erkennbar und erfahrbar werden.

Auch unsere Kirche braucht Menschen, die sich unterscheiden, die Flagge zeigen und mutig den neuen Weg wagen. Sogar „Rom“ darf an unserer Begeisterung und an unserer Leidenschaft spüren, welche Wirkkraft Jesus auch heute noch hat.

Viel Mut und ein bewegendes Pfingstfest wünsche ich ihnen allen!

Maria Lerke, Pastoralreferentin

Seelsorgeeinheit: Winnenden-Schwaikheim-Leutenbach