Liebe Gemeinde,

bestimmt haben Sie heute Morgen schon der Einen oder dem Anderen ein gutes Neues Jahr gewünscht, womöglich haben sie auch schon Karten mit guten Wünschen per Mail oder per Post bekommen.

Alle Jahre wieder – immer das gleiche – man wünscht sich natürlich nur das Beste! Aber ist das nicht Illusion? Kommt es nicht meistens ganz anders?

Ich will Ihnen jetzt auf keinen Fall die Hoffnung nehmen!

Gott sei Dank geht ja auch vieles tatsächlich gut, auch wenn in unserem Gedächtnis die „Katastrophen“ viel mehr Gewicht bekommen, beim zweiten Nachdenken fällt uns dann doch auch noch viel Schönes ein, das es trotz allem gab.

So sind wir jetzt hier:

– manche schauen voll Hoffnung nach vorne, vielleicht haben sie sich Großes vorgenommen, vielleicht wollen sie endlich was zum Abschluss bringen, vielleicht werden sie volljährig oder es steht ein besonderes Ereignis oder sogar eine Beförderung bevor;

– manche schauen eher skeptisch in die Zukunft, vielleicht muss die Stelle gewechselt werden, vielleicht kriselt es in der Beziehung, vielleicht steht nach den Feiertagen eine medizinische Untersuchung an und sie haben Angst vor der Diagnose, vielleicht müssen sie liebgewonnene Dinge oder sogar Menschen los- oder gehenlassen?

Mich hat es sehr betroffen gemacht, als eine junge Frau zu mir vor kurzem sagte: „Was soll man sich denn da noch wünschen – immer, wenn ich mir wünschte, dass es besser wird, kam der nächste Hammer – also wünsche ich mir gar nichts mehr!“

Einerseits verständlich, als ich hörte, mit welchen Krankheiten und Todesfällen ihr Leben überschattet war, aber andererseits auch erschreckend, wenn ein junger Mensch so ganz ohne Hoffnung auf bessere Zeiten auf sein Leben schaut.

Leider ist sie kein Ausnahmefall – Viele getrauen sich den Wunsch nach einem sicheren, glücklichen und gesunden Leben kaum mehr auszusprechen, gerade jetzt wo uns dieses kleine lebensgefährliche Virus immer noch, und womöglich sogar noch schlimmer bedroht.

Wie zerbrechlich und verletzbar unsere Welt und unser Leben ist – das hat uns nicht nur die Pandemie spüren lassen, auch die vielen Naturkatastrophen zeigen, wie ausgeliefert und ohnmächtig wir den „höheren Gewalten“ sind.

„Welt ging verloren“ – diese halbe Zeile aus dem Lied „Oh Du Fröhliche“ ist für viele Menschen zur grausamen Wirklichkeit geworden.

Warum also sich was wünschen, wenn man im Hinterkopf den Gedanken nicht los wird, dass die „fetten Jahre“ nun wirklich vorbei sind! Glaubt man den Klimaprognosen, dann werden die extremen Wetterlagen voraussichtlich noch häufiger und heftiger über uns hereinbrechen.

Aber trotzdem - mitten hinein in diese düsteren Gedanken feiern wir heute Gottesdienst zum Neujahrsfest und hören bewusst auf das Wort Gottes.

In der Lesung ging es um die Aufforderung zum Segnen und im Evangelium haben wir den dritten Teil der Weihnachtsgeschichte vom Evangelisten Lukas gehört.

Vielleicht können diese Texte uns bei unseren Wünschen weiterhelfen?

Lukas hat ja eine ganz besondere Geburtsgeschichte über Jesus geschrieben. Im ersten Teil berichtet er, wie Kaiser Augustus, dessen Name „der Erhabene“ bedeutet, quasi von oben herab die ganze Welt in Aufruhr versetzt – wieder mal geht es ums Geld! Weil er wissen wollte, wieviel Steuern er erhalten konnte, musste jeder in seine Geburtsstadt, um sich eintragen zu lassen. Für ein kleines Kind war da kein Platz.

Im zweiten Teil sind es die Engel, die verkünden, wer Jesus wirklich ist und im dritten Teil wird uns die Auswirkung dieser göttlichen Offenbarung aufgezeigt.

Wie vorher schon Maria und Josef, lassen sich nun auch die Hirten ansprechen und in Bewegung setzen.

Da war richtig was los: sie eilten, fanden, sahen, erzählten, hörten, staunten, kehrten zurück, rühmten und priesen – und alles nur, weil sie sich ansprechen ließen, weil sie in Jesus erkannt haben, dass „Jahwe hilft“ – was ja die Übersetzung des Namens Jesus bedeutet.

 

Sich von Gottes Botschaft bewegen lassen, hingehen, schauen und finden – für die Hirten hat sich dadurch ihr Leben verändert. Sie sind als Verwandelte zurückgekehrt in ihren Alltag; sie werden wohl kaum ihren Beruf an den Nagel gehängt haben, auch „materiell“ wird sich eher nichts geändert haben, aber sie waren so erstaunt über das was sie gesehen hatten – Gottes Liebe hat ihnen in diesem kleinen Kind entgegengestrahlt und das konnten sie doch nicht für sich behalten. Das mussten sie weitererzählen, dafür mussten sie Gott loben und preisen!

Mich beeindruckt das besonders deshalb, weil ich mir die Hirten als sehr bodenständige Menschen vorstelle, denen konnte man so leicht nichts vormachen.

Und dabei war es doch nur ein neugeborenes Kind, hilflos und armselig in einer Futterkrippe – dass sie darin den langersehnten Retter und Heiland erkannten – darüber können auch wir nur staunen!

Lukas bietet noch eine weitere Möglichkeit an, wie wir auf das göttliche Geschenk reagieren können. Er weist hin auf Maria, die all diese Worte in ihrem Herzen bewahrte und dort bewegte. Gesehenes und Gehörtes im Innersten nachwirken lassen - eine Haltung, die bei uns modernen Menschen leider oft zu kurz kommt. Ein Termin jagt den anderen, atemlos nicht nur durch die Nacht – wer soll da noch Zeit finden zum Innehalten, zum Nachspüren, zum Verinnerlichen?

Nochmals zurück zur Weihnachtsgeschichte: Ob nun eher nach innen gekehrt, oder lautstark Gott rühmend und preisend – alle, die sich von der Weihnachtsbotschaft betreffen ließen, kehrten verwandelt in ihren Alltag zurück.

Gott hat uns seinen Sohn geschenkt – Jesus – sein Name ist Programm: Jahwe hilft – sein Wort hat Hand und Fuß bekommen – diese Botschaft hat die Menschen damals in Bewegung gebracht und schafft das auch heute.

„Welt ging verloren“ – durch alle Zeiten hindurch gibt es diese Erfahrungen! Aber ebenso gilt auch der zweite Teil dieser Liedzeile: „Christ ist geboren – freue dich oh Christenheit“

Durch die Geburt von Jesus Christus ist Hoffnung in die Welt gekommen, dass wir immer und überall von Gott begleitet sind. „Jahwe hilft“ Darauf können wir uns verlassen – auch wenn er „Hilfe“ manchmal ganz anders versteht, als wir uns das wünschen.

Wir wissen nicht, was uns das neue Jahr 2022 bringt. Wir dürfen aber fest daran glauben, dass Gott uns auch hier und jetzt mit dem Größten und Wertvollsten beschenkt, was es überhaupt geben kann:

Er schenkt sich selbst, er beschenkt uns mit seiner Liebe und Gegenwart in der Gestalt dieses kleinen und wehrlosen Kindes. Das ist sein Rettungsangebot, dass er einer von uns wird, dass er selbst an unserer Seite geht. Egal was kommt, er sitzt mit uns im Boot und wird den Stürmen um uns herum Einhalt gebieten.

Ich wünsche uns, dass wir uns von seinen Zeichen und Botschaften bewegen lassen, dass wir mutig aufbrechen um ihn zu finden und dass wir bei allem was wir tun mit ganzem Herzen dabei sind.

Mögen wir immer spüren, dass er uns Heil und Segen schenkt und bitten wir um die Kraft, zum Segen für andere zu werden.

Das wünsche ich Ihnen und mir fürs Neue Jahr!

Maria Lerke

Pastoralreferentin in der Seelsorgeeinheit Winnenden-Schwaikheim-Leutenbach